- Migration/Diversität
- Sprache und Mehrsprachigkeit
- Inter- und transkulturelle Bibliotheksarbeit
Das Glossar erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, wird laufend ergänzt und aktualisiert. Neue Begriffsdefinitionen sind bereits in Arbeit und werden fortlaufend aufgeschaltet.
Fehlt ein wichtiger Begriff? Gerne können Sie uns unter
Nach Themen geordnete Begriffe:
Migration/Diversität:
Diversität | Intersektionalität | Inklusion vs. Integration | Multi-/Inter-/Transkulturalität | Mehrfachzugehörigkeiten | Teilhabe/Partizipation
Deutsch lernen : DaF/DaZ | HSK: Heimatliche Sprache und Kultur | KIP: Kantonale Integrationsprogramme | Lern- und Übungsmaterialien | Sprachniveaus A, B und C | Vermittlungs- und Kontaktarbeit
Dialekt | Erstsprache / Zweitsprache/Fremdsprache | Herkunftssprache | Interkulturelles Dolmetschen | Interkulturelle Vermittlung | Kreol/Pidgin | Einfache Sprache/Leichte Sprache | Mehrheitssprache/Minderheitensprache | Mehrsprachigkeit | Sprachenvielfalt | Übersetzen/Dolmetschen
Inter- und transkulturelle Bibliotheksarbeit:
Inklusive und diverse Bibliothek | Räumlichkeit und Signaletik | Benutzungsordnung | Zielgruppen | Bestandesaufbau | Veranstaltungen und Vermittlungsangebote
Alphabetisch geordnete Begriffe
Benutzungsordnung
Eine Benutzungsordnung regelt die Abläufe und die Verleihbedingungen einer Bibliothek. Ist sie in verschiedenen und Einfacher Sprache verfasst, und/oder mit Hilfe von Piktogrammen, so erleichtert sie den barrierefreien Zugang wie auch die Kommunikation mit der Kundschaft.
Auf der Webseite von Bibliomedia findet man zahlreiche Unterlagen, Glossare und Mustertexte in vielen Sprachen, so beispielsweise eine in 20 Sprachen verfasste Begrüssung mit Benutzungsordnung für die Einschreibung neuer Kund*innen. Weitere Informationen hierzu und Vorlagen finden sich auch beim Büchereiverband Oesterreich,dem Bibliotheksverband Sachsen oder beim deutschen Bibliotheksverband dbv. Der dbv stellt u.a. ein Interkulturelles Bibliotheksplakat zur Verfügung und einen Animationsfilm ohne Worte.
Bestandesaufbau
Für Erwachsene:
- Belletristik und Sachbücher in den verschiedenen Sprachen der Zielgruppen oder zwei-/mehrsprachig
- Belletristik und Sachbücher in Einfacher Sprache (auch mit migrationsspezifischen Inhalten)
- Belletristik von internationalen Autor*innen
- Materialien zum Erwerb der Lokalsprache (verschiedene Lernstufen, nur in der Lokalsprache oder von einer anderen Sprache aus; physische und digitale Sprachlehrmittel)
- Bildwörterbücher (spezifische Werke für Erwachsene)
- Bildbände, auch über Herkunftsländer
- Bücher über die Schweiz, die Region, die Gemeinde; Kartenmaterial
Für Eltern mit mehrsprachig aufwachsenden Kindern:
- Erziehungsratgeber
- Ratgeber «Unser Kind» von Pro Juventute in mehreren Sprachen
- SIKJM-Leporello Leseförderung in der Familie in 14 Sprachen
- Bastelbücher, Bücher zu diversen Kinderaktivitäten
- Poster duala Zweisprachigkeit in 25 Sprachen
- Videos zum Spracherwerb für Kinder bis 4 Jahre, in 13 Sprachen, auch zu Themen der Mehrsprachigkeit
Für Kinder und Jugendliche:
- Zweisprachige Bilderbücher
- Bilderbücher ohne Text
- Belletristik und Sachbücher in den verschiedenen Sprachen der Zielgruppen
- Belletristik und Sachbücher in einfacher Sprache
- Materialien und Spiele zur Sprachförderung (geeignet auch für Erstsprachförderung)
- Materialien und Spiele zum Lernen der Lokalsprache(n)
- Kinder- und Jugendbücher, in der Diversität repräsentiert wird (Autor*innen, Schauplätze, Protagonist*innen). Empfehlungsverzeichnis Kolibri von Baobab Books
Informationsplattform
Die Bibliothek als Informationsplattform eignet sich ideal dafür, Flyer und Broschüren zu verschiedenen Angeboten sichtbar zu präsentieren, beispielsweise:
- Informationen der Gemeinde sowie der kantonalen Behörden
- Informationen zum Schulwesen
- Informationen zum Gesundheitswesen
- Hinweise zu Beratungsstellen und dem Angebot der kantonalen interkulturellen Übersetzung
- Freizeitangebote in der Umgebung (Kultur, Sport, Unterhaltung etc.)
- Informationsbrett: Sprachtandem suchen/finden
DaF/DaZ
Die Abkürzungen DaF (Deutsch als Fremdsprache) und DaZ (Deutsch als Zweitsprache) fallen häufig im Deutsch-Lernen-Kontext. Die Abgrenzung ist nicht immer klar und die Begriffe werden nicht immer gleich benutzt. Meist mein DaF den Erwerb der deutschen Sprache ausserhalb einer deutschsprachigen Region und DaZ den Erwerb der deutschen Sprache in einer deutschsprachigen Region. Während DaF im Unterricht gesteuert erlernt wird, wird DaZ im fremden deutschsprachigen Alltag oft auch automatisch also ungesteuert erworben."
Deutsch lernen
Das Verstehen und Sprechen einer der offiziellen Landessprachen ist eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in der Schweiz. Nachfolgend Wissenswertes zum Thema «Deutsch lernen» und Bibliotheken:
-
Sprachniveaus A, B und C (GER: Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen)
- Vermittlungs- und Kontaktarbeit
Dialekt
Ein Dialekt ist eine Variante einer Sprache. Er ist meist an eine bestimmte Region gebunden (Regiolekt), kann aber auch mit einem bestimmten sozialen Kontext in Verbindung stehen (Soziolekt). Dialekte werden hauptsächlich gesprochen. Sie können zwar verschriftlicht werden (Literatur, Handy-Kurznachrichten), aber es gibt in den meisten Fällen eben wegen der vielen Variationen keine einheitliche Schreibweise - im Gegensatz zum Standard einer Sprache. So gibt es auch keine offiziellen Dokumente in Dialekten. Trotz Unterschieden in den Sprachregeln und im Wortschatz gibt es zwischen einer Sprache und einem Dialekt eine Interkomprehension, die es den jeweiligen Sprecher*innen ermöglicht, sich zu verstehen. Aus politischer Sicht ist der Dialekt eine Sprache, die keinen offiziellen Status hat. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keine Kriterien, anhand derer sich eine Sprache eindeutig von einem Dialekt unterscheidet. Dialekte sind im Vergleich zu Standardsprachen häufig negativ konnotiert und weniger prestigeträchtig.
Beispiele: Alemannische Dialekte, Schweizerdeutsch, andalusischer Dialekt, Hanoi-Dialekt
Diversität
Diversität bezeichnet die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Menschen oder in einer Gruppe von Menschen. Darüber hinaus meint Diversität einen bewussten und ressourcenorientierten Umgang mit dieser Vielfalt. Diversität ist ein Konzept, das auf einen wertschätzenden und respektvollen Umgang mit Verschiedenartigkeit und Individualität abzielt und diese als Selbstverständlichkeit ansieht. Es anerkennt und nutzt die vielfältigen Leistungen und Erfahrungen von Menschen und begreift diese als Potential und Bereicherung. Es strebt den Abbau von Diskriminierung und die Förderung von Chancengleichheit und gleiche Rechte für alle an, ebenso wie die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen, unabhängig von ethnischer und kultureller Herkunft, physischer und psychischer Verfassung, sexueller Orientierung, sozialer Herkunft und Status, Weltanschauung, Geschlecht, Alter, Familienstand oder weiteren Diversitätsmerkmalen.
Die verschiedenen Merkmale und Zugehörigkeiten greifen ineinander, wirken zusammen und können nicht isoliert voneinander betrachtet werden (Intersektionalität). Menschen können zum Beispiel unterschiedliche kulturelle und soziale Herkunft, Weltanschauung und sexuelle Orientierung aber das gleiche Alter und Geschlecht und den gleichen Familienstand haben.
Einfache Sprache/Leichte Sprache
Einfache Sprache
Die Einfache Sprache spielt im Kontext der inter- und transkulturellen Bibliotheksarbeit eine wichtige Rolle. Sie ist eine Vereinfachung der Standartsprache und hat zum Ziel, (komplexe) Informationen einfach, klar und verständlich wiederzugeben, sodass diese ein breites Publikum erreichen können. Sie richtet sich vorwiegend und beispielsweise an Menschen mit einer Lese- und Schreibschwäche, an ältere Menschen, an Menschen mit geringen Deutschkenntnissen oder kognitiven Behinderungen.
Die Einfache Sprache entspricht etwa dem Sprachniveau A2-B1 folgt einer Reihe von inhaltlichen und formalen Grundlegeln, die mehr als Richtlinien denn als strikte Regeln zu begreifen sind. Solche Grundregeln sind zum Beispiel:
- Kurze und nicht verschachtelte Sätze (eine Aussage pro Satz, ein Gedankengang pro Abschnitt)
- Keine Fachbegriffe, sondern für die breite Masse verständliche Begriffe
- Einfach und logisch nachvollziehbare Reihenfolge der Informationen
- eindeutige Aussagen ohne Ironie oder Metaphern
- übersichtliche Textstruktur
Leichte Sprache
Leichte Sprache ist nicht zu verwechseln mit Einfacher Sprache. Sie ist eine Unterkategorie der Einfachen Sprache und die stärkste Form sprachlicher Vereinfachung. Leichte Sprache entspricht etwa dem Sprachnievau A1 und wurde für Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt, um den Zugang zur Schriftsprache und damit zu gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. Im Gegensatz zur Einfachen Sprache gibt es für die Leichte Sprache ein festes und eigenes Regelwerk, das Grammatik, Satzbau und Gestaltung regelt. Dazu gehören einfache und kurze Wörter, keine Fremdwörter, kurze (und teilweise auch grammatikalisch unvollständige) Sätze mit einfachem Satzbau, sinnvolle Strukturierung durch Absätze und Überschriften. Die Texte in Leichter Sprache werden von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf Verständlichkeit überprüft.
Die Leichte Sprache muss zertifiziert sein. Es gibt Übersetzungsbüros, die Informationen in Leichte Sprache übersetzen (z.B. Pro Infirmis , Guldimann) und das Zertifikat vergeben. Beide Sprachformen haben als effektives Mittel zur Integrations- und Inklusionsförderung zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen.
Mittlerweile bieten viele Bibliotheken Medien (z. B. die Stadtbibliothek Chur) und auch Veranstaltungen (z.B. Le petit cabinet de lecture, Bibliomedia Lausanne) in Einfacher Sprache an. In Bibliotheken ist die Einfache Sprache relevant für allgemeine Informationen für die Nutzer*innen wie z.B.Flyer, Website, die Benutzungsordnung etc.
Es finden in der Schweiz regelmässige Schulungen statt, in denen die Einfache Sprache gelernt und angewendet werden kann. . Z.B. capito, textoh, Pro Infirmis (Sensibilisierungskurse)
Erstsprache/Zweitsprache/Fremdsprache:
Die Erstsprache bezeichnet die erste Sprache, die ein Kind lernt. Sie entspricht in den meisten Fällen der Sprache, die im familiären Kontext des Kindes gesprochen wird. Umgangssprachlich wird die Erstsprache häufig als "Muttersprache" bezeichnet. Dieser Ausdruck beinhaltet jedoch inzwischen überholte Konzepte wie z.B. die Annahme, dass Haushalte immer einsprachig sind; die Annahme, dass Mütter immer die primären Bezugspersonen sind; die Annahme, dass Muttersprache mit heimatlicher Abstammung gleichgesetzt und als Teil einer natürlichen Ordnung und nicht als gesellschaftliches Phänomen betrachtet wird. Wächst ein Kind in zwei Sprachen gleichzeitig auf, spricht man von doppeltem Erstsprachenerwerb.
Die Zweitsprache ist die zweite oder nächste Sprache, die ein Kind oder auch erwachsener Mensch mit zeitlichem Abstand zur Erstsprache(n) bewusst lernt. Die Zweitsprache bezieht sich meistens auf die Sprache des Gebietes, in dem die Person lebt. Meistens ist sie für Alltag, Schule und Beruf lebensnotwendig. Ist dies nicht der Fall, so bezeichnet man die Sprache als Fremdsprache.
Der Begriff Fremdsprache ist insofern problematisch als dass dieser die Spaltung zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft verstärkt, indem in der Schweiz geborene oder aufgewachsene Menschen wegen ihrer Erstsprache als «Fremd» bezeichnet werden.
Auch die Begriffe Erst- und Zweitsprache können eine Hierarchie zwischen den Sprachen suggerieren, die aber nicht unbedingt der Realität entspricht: Eine Person kann die in der Schule erlernte Zweitsprache besser beherrschen als die Erstsprache.
Herkunftssprache
Herkunftssprache ist die (Erst-)Sprache, die im familiären Kontext von frühester Kindheit an erlernt wird und die sich von der offiziellen Sprache unterscheidet, die in dem Gebiet gesprochen wird, in dem die Person lebt.
Über die verschiedenen Sprachbezeichnungen sind sich die Fachleute nicht immer einig, denn die Benennungen sind insofern problematisch, als dass sie Wertigkeiten herstellen, beinhalten oder suggerieren können.
HSK: Heimatliche Sprache und Kultur
Kinder und Jugendliche, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, können den sogenannten HSK-Unterricht besuchen, wo die Erstsprache gefördert und Hintergrundwissen über die Sprachregion vermittelt wird. Der Unterricht stärkt die Sprachkompetenzen der Schüler*innen und unterstützt sie in der Identitätsbildung und Integration. Die Lektionen in Heimatlicher Sprache und Kultur sind eine Ergänzung zum regulären Schulunterricht, politisch und konfessionell neutral und von den zuständigen Fachstellen der Kantone anerkannt. Sie werden von den Botschaften, Konsulaten der Herkunftsländer oder von privaten Trägerschaften organisiert und finanziert und können somit kostenlos besucht werden. HSK Kt BL ZH, HSK Kt LU etc.
Inklusion vs. Integration
Die Begriffe Integration und Inklusion werden häufig als Synonyme gebraucht, meinen aber zwei unterschiedliche Konzepte. Während Integration den Einbezug eines von der Mehrheitsgruppe oder Norm abweichenden Menschen oder einer Gruppe in ein bereits bestehendes System meint (Akzeptieren der Andersartigkeit), steht Inklusion für die Anpassung der Rahmenbedingungen an die Bedürfnisse jedes Individuums, sodass alle am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können (Vielfalt/Diversität als Norm). Das Konzept der Integration geht also von der Unterschiedlichkeit aus und verlangt meist Anpassung; beim Konzept der Inklusion ist Vielfalt und Verschiedenartigkeit normal und selbstverständlich, sodass das Gemeinsame wichtiger wird.
Integration
Grundsätzlich bezeichnet Integration die Eingliederung von Menschen in bereits bestehende Systeme, die für die Allgemeinheit oder Mehrheitsgesellschaft geschaffen wurden.
Der Integrationsbegriff wird zunehmend negativ konnotiert, weil er in den letzten Jahren oft mit assimilatorischen Ansätzen aufgeladen wurde, wonach verschiedene Gruppen sich vollständig an die Mehrheitsgesellschaft anpassen und dafür ihre eigene (kulturelle) Identität aufgeben müssen.
Inklusion
Inklusion meint das Einbeziehen von Menschen in die Gesellschaft. Jede Person wird als ein vollwertiges und gleichberechtigtes Mitglied anerkannt, das Anrecht auf Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens (Bildung, Arbeit, Familie, Freizeit, Politik etc.) hat. Exklusion und Ausschluss sollen aktiv verhindert werden.
Inklusion hat zum Ziel, (Zugangs-)Barrieren abzuschaffen und von Beginn an dieselben Chancen und Voraussetzungen für jede*n unabhängig von Merkmalen wie der ethnischen und kulturellen Herkunft, physischen und psychischen Verfassung, sexuellen Orientierung, sozialen Herkunft und Status, Weltanschauung, des Geschlechts, Alters oder Familienstands etc. zu schaffen. In einer inklusiven Gesellschaft kann jede*r am öffentlichen Leben teilnehmen, ohne sich dafür einer Mehrheitsnorm anpassen zu müssen, denn die Rahmenbedingungen sind von vornherein so ausgestattet, dass alle Menschen gleichberechtigt leben können.
Inklusion verfolgt die Vision einer Gesellschaft, in der Andersartigkeit und Abweichungen von der Mehrheitsnorm – analog zu Diversität – nicht als Negativ, sondern als Bereicherung begriffen werden. Denn wenn alle ganz selbstverständlich dabei sein können, werden die Unterschiede zunehmend kleiner.
Umsetzungen von Inklusion finden aktuell vor allem im Bildungsbereich statt, gewinnen aber zunehmend in allen gesellschaftlichen Bereichen an Relevanz.
Inklusive und diverse Bibliothek
Bibliotheken sollen als niederschwellige Orte der Begegnung und des Austausches, der Bildung und des Lernens, der Information und des Aufenthalts, Angebote für ein diverses Publikum schaffen und sicherstellen, dass alle Menschen den Zugang finden, sich willkommen fühlen und partizipieren können. Die verschiedenen Zielgruppen sind alles andere als homogen– auch jene mit einer Migrationsgeschichte nicht. Sie sprechen verschiedene Sprachen, haben vielfältige Weltanschauungen und kulturelle Bezüge oder einen unterschiedlichen Bildungsstand – um nur einige Merkmale zu nennen. Interkulturelle Kompetenzen ermöglichen, ein diverses und heterogenes Publikum zu erreichen, indem ein Umfeld geschaffen wird, das den Mehrfachzugehörigkeiten der Leserschaft gerecht wird.
Eine inklusive und diverse Bibliothek fördert demnach unterrepräsentierte Inhalte und Sprachen und nimmt so gut wie möglich Rücksicht auf die Vielfalt ihrer Kundschaft hinsichtlich Herkunft, Alter, Geschlecht, gesprochenen Sprachen, Kultur, Religion, Bildung etc. Das Hauptziel einer inklusiven und diversen Bibliothek ist es, Wissen und Bildung für alle zugänglich zu machen und Chancengleichheit und -gerechtigkeit sowie gesellschaftliche Teilhabe zu fördern.
- Diversifizierung des Bestands (Programm)
Diversität in Büchern und Medien aus dem Bestand. Das Angebot ist heterogen und repräsentiert ein breites Spektrum an Perspektiven und Lebensrealitäten (Religion, Kultur, Weltanschauung, Menschen mit Behinderung, Geschlechtsidentitäten, LGBTQIA* etc.) Es bietet Medien an, die von diversen Autor*innen geschrieben wurden. - Veranstaltungen (Programm)
Bei der Konzipierung von Veranstaltungen werden ebenfalls die diversen Hintergründe der Kundschaft berücksichtigt und miteinbezogen. Gleichzeitig werden auch Aktivitäten extra-muros realisiert, also Projekte ausserhalb der Räumlichkeiten der Bibliothek für Personen, die normalerweise nicht in Bibliotheken gehen und keinen Zugang zu Literatur haben, z.B. Marktstand. - Zugänglichkeit der Informationen (Publikum)
Informationen wie z. B. Flyer, Website, Signaletik, Raumgestaltung etc. sind vorhanden und nehmen Rücksicht auf mögliche Sprachschwierigkeiten und/oder funktionalen Analphabetismus. Sie sind deshalb in Leichter Sprache und/oder mehreren Sprachen vorhanden. - Ausgebildetes Fachpersonal (Personal)
Das Personal, das in der Bibliothek arbeitet (sei es für die Veranstaltungen, an der Theke oder bei der Medienbeschaffung) ist diversifiziert und nimmt an regelmässigen Weiterbildungen zu Themen wie Diversität, Inter- und Transkulturalität, Mehrsprachigkeit, Analphabetismus, Einfache Sprache, Gender etc. teil. Es ist diversitätssensibel und nimmt Rücksicht auf die heterogenen Bedürfnisse der vielfältigen Kundschaft.
Interkulturelles Dolmetschen
Interkulturelle Dolmetscher*innen übertragen wie Dolmetscher*innen mündlich eine Rede von einer Ausgangssprache in eine Zielsprache. Im Unterschied zum klassischen Dolmetschen fokussiert das interkulturelle Dolmetschen den soziokulturellen Hintergrund der am Gespräch beteiligten Personen. Dieser Aspekt bildet dann auch den Ausbildungsschwerpunkt, wohingegen das Sprachniveau B2 ausreichend ist. Interkulturelle Dolmetscher*innen sind Brückenbauer*innen und ermöglichen die Verständigung zwischen Fachpersonen und zugewanderten Personen mit unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Hintergründen. Weiter Infos unter INTERPRET
(Ausbildung und Qualifizierung)
Interkulturelle Vermittlung
Interkulturelles Vermitteln ist - nebst mündlichem Übersetzen - die Vermittlung von Wissen und Information zwischen Angehörigen verschiedener Lebenswelten und Kulturen. Interkulturelle Vermittlung kommt häufig in den Bereichen Bildung und Soziales zum Einsatz und hat zum Ziel, gegenseitiges Verständnis zu fördern. So begleiten, beraten und moderieren interkulturelle Vermittler*innen häufig im Kontext von (Integrations-)Behörden, im Gesundheits- oder Bildungswesen oder im Bereich der Eingliederung.
(Ausbildung und Qualifizierung)
Intersektionalität ist ein Begriff, der das Zusammenwirken mehrerer Diskriminierungskategorien wie ethnische und kulturelle Herkunft, Gesundheit, soziale Herkunft und Status, Weltanschauung, Geschlecht, Alter etc. beschreibt.
Bei der Intersektionalität tauchen Diskriminierungsformen wie beispielsweise Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Homophobie, Transphobie, Behindertenfeindlichkeit/ oder Klassismus nicht isoliert voneinander auf, sondern werden in ihren Interdependenzen und Überkreuzungen betrachtet, die zu eigenständigen und individuellen Diskriminierungserfahrungen führen. So ist die Erfahrung von beispielsweise einer Schwarzen Frau ohne Behinderung nicht dieselbe wie die eines weissen Mannes mit Behinderung. Der Fokus liegt also auf den Wechselbeziehungen der Diskriminierungskategorien.
Inter- und transkulturelle Bibliotheksarbeit
Interkulturelle Arbeit wird immer häufiger auch als transkulturelle Arbeit bezeichnet. Im Kern sind das aber zwei verschiedene Ansätze.
Interkulturalität legt den Fokus auf die Unterschiede zwischen Kulturen und auf die Dynamiken, welche im zwischenmenschlichen Kontakt wirken. Der Fokus liegt auf dem Brückenschlagen zwischen verschiedenen Lebenswelten.
Transkulturalität legt den Fokus auf die Gemeinsamkeiten und Verbindende zwischen den Menschen. Im zwischenmenschlichen Kontakt rückt das Individuum mit seinen Erfahrungen, Geschichten, Ressourcen und Haltungen ins Zentrum.
Beide Konzepte sind nicht eindeutig voneinander abgrenzbar und können gleichzeitig oder nebeneinander zur Anwendung kommen. Beide Ansätze sind wichtig und notwendig für die Öffnung der Bibliotheken; sowohl lebenspraktische Vereinfachungen wie auch das Bewusstsein um menschliche Komplexität und Individualität.
Inter- und transkulturelle Bibliotheksarbeit ist eine Querschnittsaufgabe, die sich durch alle relevanten Bereiche einer Institution – wie Publikum, Porgramm und Personal – hindurchzieht. Sie bedeutet viel mehr als einen mehrsprachigen Bestand aufzubauen. Das entsprechende Publikum muss auch erreicht werden und kommen.
Publikum: Bestimmte Zielgruppen brauchen ein spezielles auf sie (und ihre Bedürfnisse) zugeschnittenes Bibliotheksangebot.
→ Benutzungsordnung, → Räumlichkeit und Signaletik, → Zielgruppen
Programm: Partizipatives und vielsprachiges Angebot an Information, Bestand und Vermittlung, Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene sowie inhaltlicher Zugang durch Mehrsprachigkeit und Einfache Sprache.
→ Bestandesaufbau, → Veranstaltungen und Vermittlungsangebote
Personal: Diverses Personal, diversitätssensible Leitung und entsprechendes Personalwesen. Dazu gehören auch Weiterbildungsmassnahmen zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden.
KIP: Kantonale Integrationsprogramme
Bund und Kantone haben 2014 die Kantonalen Integrationsprogramme (KIP) eingeführt, um die spezifische Integrationsförderung zu einem Gesamtpaket mit landesweit geltenden strategischen Zielen und Förderbereichen zu bündeln. In den jeweiligen KIP zeigen die Kantone auf, wie sie die Ziele erreichen wollen.
Die KIP beruhen auf drei Pfeilern: Information und Beratung, Bildung und Arbeit sowie Verständigung und gesellschaftliche Integration. Die drei Pfeiler umfassen insgesamt acht Förderbereiche.
1. Ankommen: Erstinformation und Integrationsförderung, Beratung, Schutz vor Diskriminierung
2. Leben: Sprache und Bildung, frühe Kindheit, Ausbildungs- und Arbeitsmarktfähigkeit
3. Begegnen: Interkulturelles Dolmetschen und Vermitteln
Auf der Bundes-Website der KIP finden Sie wichtige Infos zu «Deutsch lernen»: Wenn es um den Erwerb der lokalen Sprache geht, haben nicht alle Migrant*innen die gleichen Voraussetzungen und Bedürfnisse. Deshalb ist es wichtig, unter der Vielfalt an Angeboten den richtigen Sprachkurs zu finden. Dazu braucht es eine gut vernetzte Triagestelle für die Kurszuweisung. Breite Information und möglichst gut erreichbare Kursorte sind weitere Voraussetzungen für den einfachen Zugang. Detaillierte Informationen unter: KIP-Sprache und Bildung
Kreol / Pidgin
Kreol
Eine Kreolsprache ist eine Kontaktsprache zwischen zwei oder mehreren Sprachen. Kreol wird von der Sprachgemeinschaft, die den Bezug zu ihrer ursprünglichen Sprache - oft aufgrund von Verschleppung und Sklaverei - verloren hat, als Erstsprache gesprochen. Es sind vollwertige Sprachen mit einer eigenen Grammatik und einem reichen Wortschatz. Während der Wortschatz dabei häufig aus den der Sprache der dominanten Gruppe stammt, unterscheidet sich die Grammatik deutlich davon. Kreolsprachen werden deshalb nach Herkunft des Wortschatzes unterteilt (z.B. französisch, englisch, portugiesisch oder arabisch basiertes Kreol).
In ihrem Anfangsstadium waren Kreolsprachen als Zweitsprache gesprochene Pidginsprachen, die im Laufe der Zeit komplexer wurden und sich als Erstsprache der folgenden Generationen etabliert haben (Kreolisierung).
Kreolsprachen sind in einigen Ländern Amtssprachen: Die meistgesprochene Kreolsprache, das Haitianische Kreol, wird beispielsweise auch in der Schule verwendet. Eine Kreolsprache kann sich aufgrund ständiger Kontakte und/oder durch die (prestigereichere) Bildungs- (und oft Kolonial-)sprache weiter an diese annähern (Dekreolisierung).
Beispiele: Haitianisches Kreol (f), Palenquero in Kolumbien (es), Kreol aus Belize (e), kapverdisches Kreol (p)...
Pidgin
Eine Pidginsprache ist eine reduzierte Sprachform mit minimalem Wortschatz und vereinfachter Grammatik. Sie entstand im Kontext von Handelsbeziehungen während der Kolonialzeit zwischen Menschen mit unterschiedlichen Erstsprachen und diente meistens der Kommunikation zwischen den Händlern oder Kolonialherren und Sklav*innen sowie zwischen den Sklav*innen untereinander.
Pidginsprachen sind, wie die Kreolsprachen, Mischsprachen. Im Gegensatz zum Kreolischen ist die Pidginsprache aber uneinheitlich, weist eine radikal vereinfachte Struktur auf und wird nicht als Erstsprache gesprochen. Erst im Lauf der Zeit können Pidginsprachen immer komplexer und zu vollwertigen Kreolsprachen werden (Kreolisierung).
Manchmal wird fälschlicherweise angemerkt, dass Pidginsprachen aus dem Englischen und Kreolsprachen aus dem Französischen entstanden seien. Tatsächlich liegt der Unterschied aber in der Komplexität und Strukturierung der Sprache sowie in ihrem Status als Erstsprache.
L
^ Zurück nach obenLern- und Übungsmaterialien
Bibliotheken unterstützen und fördern auf vielfältige Weise den Erwerb von Deutschkenntnissen. Sie verleihen Lern- und Übungsmaterialien wie Wörterbücher, kulturelle Informationen und Grammatiken auf unterschiedlichen Sprachniveaus und in verschiedenen Formaten. Beim Aufbau des Bestandes von Lern- und Übungsmaterialien ist es sinnvoll, sich mit Schulen in der Umgebung, welche DaZ- Kurse anbieten, in Kontakt zu setzen, um sich mit ihnen abzustimmen.
Mehrfachzugehörigkeiten
Individuelle Identitäten sind vielfältig und bilden sich durch mehrere Zugehörigkeiten, die sich im Lauf des Lebens verändern. So hat ein Mensch nicht zwangsläufig nur eine Nationalität, Ethnie, Religion, Gender etc. Die verschiedenen Zugehörigkeiten sind hybrid, ineinandergreifend und dynamisch – analog zu den Konzepten der Transkulturalität und Diversität. Menschen mit Migrationsgeschichte definieren sich beispielsweise nicht nur über das familiäre Herkunftsland, sondern fühlen sich auch der Gesellschaft, in der sie leben, zugehörig. Die verschiedenen Zugehörigkeiten erscheinen additiv und komplementär.
Das Konzept der Mehrfachzugehörigkeit kann Menschen, insbesondere Kindern und Jugendlichen, die sich ihrer eigenen (kulturellen) Identität nicht sicher sind, helfen, weil hybride und dynamische Identitäten als Ressource und nicht Problem verstanden werden. Sie müssen sich nicht für eine Zugehörigkeit entscheiden, sondern können ihre verschiedenen Zugehörigkeiten ausleben.
Mehrheitssprache / Minderheitensprache:
Die Mehrheitssprache oder dominante Sprache ist in der Regel die Sprache, die von einer Mehrheit der Bevölkerung eines bestimmten Gebietes (Land, Region, Stadt etc.) gesprochen wird.
Die Minderheitensprache hingegen bezeichnet die Sprache, die in einem bestimmten Gebiet von einer Minderheit gesprochen wird und sich somit von der offiziellen Sprache des entsprechenden Gebietes unterscheidet. Minderheitensprachen sind oft unter dem Druck, die Mehrheitssprache zu übernehmen. Als Folge davon können Minderheitssprachen verloren gehen.
Zum Schutz und zur Förderung sprachlicher Vielfalt wurde die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensrachen abgeschlossen und auch von der Schweiz ratifiziert.
Mehrsprachigkeit
Mehrsprachigkeit bezeichnet die Fähigkeit eines Menschen, mehrere Sprachen zu sprechen (individuelle Mehrsprachigkeit). Eine Person kann zwei-, drei- oder mehrsprachig sein. Um als mehrsprachige Person zu gelten, ist es nicht notwendig, die verschiedenen Sprachen perfekt zu beherrschen (funktionale Mehrsprachigkeit).
Aber auch Regionen, Länder, soziale Gruppen (Schule, Arbeitsplatz etc.) oder Medien (Buch, Film etc.) können mehrsprachig sein (territoriale und institutionelle Mehrsprachigkeit).
Multi-/Inter-/Transkulturalität
Multikulturalität
Multikulturalität bezeichnet das Nebeneinander verschiedener Kulturen innerhalb einer Gesellschaft. Die Kulturen werden dabei als in sich homogen und unveränderlich verstanden und nach aussen als klar voneinander abgegrenzt.
Da kein (wirklicher) Austausch zwischen den Gruppen stattfindet, besteht eher die Gefahr einer Ghettoisierung und Stereotypisierung.
Im Gegensatz zu Multikulturalität, was nur die Tatsache kultureller Vielfalt in einer Gesellschaft bezeichnet, ist Multikulturalismus ein Konzept, das auf die Akzeptanz kultureller Differenzen und die Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus abzielt.
Das Konzept der Multikulturalität ist aufgrund seines veralteten Kulturbegriffes inzwischen überholt.
Interkulturalität
Interkulturalität bezeichnet den respektvollen und wohlwollenden Austausch zwischen den Mitgliedern verschiedener Kulturen. Dabei werden die unterschiedlichen kulturellen Identitäten und Prägungen wechselseitig erfahrbar. Bei Interkulturalität geht es darum, ein Bewusstsein und eine Sensibilisierung für die bestehenden Unterschiede zu entwickeln und diese möglichst nicht zu werten. In interkulturellen Begegnungen findet oftmals auch ein Perspektivenwechsel statt, der hilft bestimmte Situationen, Ereignisse und Weltanschauungen möglichst vorurteilsfrei einzuordnen und anzuerkennen sowie verständnisvoll miteinander zu kommunizieren. Interkulturalität geht von einem Kulturbegriff aus, wonach Kulturen als klar voneinander abgegrenzte, geschlossene und homogene Einheiten sind. Diese Vorstellung von Kultur führt gerne zu Verallgemeinerungen und Reduktion komplexer gesellschaftlicher Realitäten.
Transkulturalität
Neuere Entwicklungen gehen von einem durchlässigen und dynamischen Kulturmodell aus welches der Durchmischung und Komplexität globalisierter Gesellschaften gerechter wird. Kulturelle Identitäten und Lebensgeschichten formen sich vielfältig, heterogen und durch unterschiedliche Zugehörigkeiten, sogenannte Mehrfachzugehörigkeiten. Diese sind stark miteinander verflochten. Der Fokus liegt auf Gemeinsamkeiten und Synergien. Neue hybride Identitäten können sich bilden. Die Unterschiede innerhalb einer Kultur können grösser sein als die Unterschiede zwischen verschiedenen Kulturen. Nationale Identitätszugehörigkeit ist nur noch eine von vielen weiteren (religiösen, politischen, sozialen etc.) Zugehörigkeiten, über die sich ein Individuum im Verlauf seines Lebens definiert.
Räumlichkeit und Signaletik
Der Raum und dessen Einrichtung haben eine grosse Wirkung darauf, wie gut sich die Besucher*innen in einer Bibliothek willkommen fühlen und zurechtfinden.
Dabei sind insbesondere zwei Elemente wichtig: die visuelle Orientierung sowie die Sichtbarkeit von Mehrsprachigkeit und kultureller Vielfalt im Raum.
Personen, die die Lokalsprache(n) noch nicht beherrschen oder die Institution Bibliothek nicht kennen, hilft eine möglichst klare und visuelle Signaletik zur Orientierung im Raum. Mit Hilfe von Piktogrammen, Bildern und Farben sind sie in der Lage, die Bibliothek und ihre Angebote intuitiv zu erkunden und etwas zu finden, das ihren Bedürfnissen entspricht. Auch die Art, wie Medienbestände präsentiert sind, ist entscheidend dafür, ob die Kund*innen das finden, was sie brauchen.
Wichtig ist dabei auch, welchen Eindruck die Raumgestaltung bei Besucher*innen weckt. Ist ein Interesse an sprachlicher und kultureller Vielfalt zu erkennen? Eine positive Haltung gegenüber Diversität signalisieren zum Beispiel:
- ein Willkommensplakat in verschiedenen Sprachen im Eingangsbereich (z.B. Plakate dbv, Begrüssung mehrsprachig Bibliomedia)
- Kleinplakate, z.B. mit mehreren Alphabeten, mit Fotos/Buchcovers von internationalen Autor*innen, mit Fotografien von Ländern aus allen Kontinenten
- Dekorative Elemente wie Buchstabenwürfel (mit Buchstaben aus verschiedenen Alphabeten)
- Zeichnungen von Kindern, in denen ihre Mehrsprachigkeit thematisiert wird (in Zusammenarbeit mit HSK- oder DaZ-Klassen).
- Wechselnde Medienausstellungen auch zu Themen der Migration und Mehrsprachigkeit
Eine derartige Gestaltung des Raums kann auch mit der Zeit entstehen. Die Herstellung von Porträts, Kinderzeichnungen und dekorativen Elementen können Endprodukte von Aktionen oder eines partizipativen Prozesses sein.
Sprache und Mehrsprachigkeit
Verschiedene Studien zeigen, dass bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern die Erstsprache als Grundlage für den weiteren Spracherwerb zentral ist. Genauer gesagt: Ein gutes Niveau in der Erstsprache wirkt sich positiv auf den Erwerb der Lokalsprache aus. Es ist deshalb sinnvoll und wichtig, die Erstsprache bei Kindern mit entsprechenden Massnahmen zu fördern. Beispiele für solche Massnahmen sind der HSK (Heimatliche Sprache und Kultur)-Unterricht sowie ein mehrsprachiges Medienangebot in Bibliotheken. In dieser Rubrik sind in diesem Kontext wichtige Begriffe und Massnahmen zu finden.
Sprachenvielfalt
Sprachenvielfalt bezeichnet den Umstand, dass es global und auch regional sehr viele verschiedene Sprachen gibt, die koexistieren. In der Schweiz beispielsweise werden nebst den vier offiziellen Landessprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch) noch viele weitere Sprachen gesprochen. Fast zwei Drittel der hiesigen Bevölkerung braucht im Alltag mehr als eine Sprache, sei es am Arbeitsplatz, in der Familie oder in der Freizeit.
Sprachniveaus A, B und C (GER: Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen)
Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen ist eine umfangreiche Empfehlung für den Fremdsprachenunterricht, die sowohl die Sprachkompetenz als auch die Sprachverwendung berücksichtigt. Er gliedert sich die Sprachniveaus A (elementare Sprachverwendung), B (selbstständige Sprachverwendung) und C (kompetente Sprachverwendung) und diese drei Niveaus jeweils in zwei Stufen, also A1, A2, B1,B2, C1 und C2. Als Voraussetzung für eine erfolgreiche berufliche Integration gilt die Beherrschung der entsprechenden Landessprache auf dem Niveau von B1/B2 Eine detaillierte Beschreibung des GER findet sich beim Goethe-Institut.
Teilhabe/Partizipation
Partizipation oder (soziale) Teilhabe meint die gleichberechtigte und chancengleiche Mitbestimmung aller Menschen am gesellschaftlichen Leben. Das umfasst unter anderem die Teilhabe am politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben. Um Chancengleichheit und Gleichberechtigung zu erreichen, braucht es eine Neugestaltung von Partizipationsprozessen (zb. Quoten, inklusive Rahmenbedingungen) und den Abbau von (Zugangs-)Barrieren. Beispiele für solche Barrieren sind: Arbeitsverbot für Asylsuchende; ungleiche Bildungschancen für Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien oder Familien mit Migrationsgeschichte; Barrieren im öffentlichen Raum wie Treppen, hohe Randsteine u. Ä., die für Menschen mit einer körperlichen Behinderung, ältere Menschen oder auch Kinderwagen nicht zugänglich sind; oder der Ausschluss von Menschen mit tiefem Einkommen vom kulturellen Leben.
Das Ziel sozialer Teilhabe ist, dass alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen, die Gesellschaft mitgestalten und in relevanten Bereichen mitbestimmen können.
Übersetzen/Dolmetschen
Übersetzen
Beim Übersetzen wird ein schriftliches Dokument von einer Ausgangssprache in eine andere Sprache, die Zielsprache, übertragen. Übersetzt wird oft nur in eine Richtung, meist in die Erstsprache des*r Übersetzer*in. Der Ausgangstext wird genau analysiert und bei Bedarf werden zusätzliche Recherchen angestellt. Oft ist ein besonderes Fachwissen nötig, z.B. für juristische, medizinische, technische oder literarische Texte. Die Kenntnis sprachlicher Besonderheiten und des sozio-kulturellen und historischen Kontexts sind ebenfalls zentral für eine gute Übersetzung.
Dolmetschen
Beim Dolmetschen wird Gesprochenes immer mündlich und praktisch zeitgleich von der Ausgangssprache in die in die Zielsprache übertragen und umgekehrt. Gedolmetscht wird in beide Richtungen und immer live, z.B. bei Tagungen oder Verhandlungen. Seltener werden auch Texte mündlich in die Zielsprache übertragen, z.B. wenn einer Partei ein Dokument vorgehalten wird. Dolmetscher*innen arbeiten aus dem Stegreif und können sich auf kein Referenzmaterial abstützen. Sie passen das Dolmetschen dem Kontext an. Die Übertragung in die Zielsprache kann deshalb manchmal etwas weniger genau sein wenn z.B. ausschweifende Inhalte zusammengefasst werden. Es gibt verschiedene Arten von Dolmetschen. Am meisten verbreitet ist das Simultandolmetschen, bei dem ein Vortrag oder eine Rede fast in Echtzeit in die Zielsprache übertragen wird. Beim Konsekutivdolmetschen geschieht die Übertragung etwas zeitversetzt nach Redeabschnitten.
Veranstaltungen und Vermittlungsangebote
Im Folgenden eine Übersicht von möglichen Veranstaltungen und Aktivitäten für Kinder und Jugendliche sowie für Erwachsene:
Für Kinder und Jugendliche:
- Bibliotheksbesuch für HSK-Klasse (Herkunftssprache und Kultur). Zusammenarbeit mit HSK-Lehrpersonen. HSK Info
- Bibliotheksbesuch für Primar- und Sekundarklassen, um verschiedene Sprachen und Schriften zu entdecken.
- Zwei- oder mehrsprachige Leseanimationen: z.B. Geschichtenbaum, BiblioBabel (Fribourg)
- Schenk mir eine Geschichte: Animationen für Familien mit mehrsprachig aufwachsenden Kindern, in verschiedenen Erstsprachen und in Deutsch
- Buchstart mehrsprachig: in Buchstart-Animationen auch anderssprachige Verse einfliessen lassen, Übersetzungen des neuen Bilderbuchpakets nutzen
- Märchenzeit: bei regelmässigen Erzählstunden auch einmal ein Märchen in anderen als der Lokalsprache erzählen. Dabei können Ressourcen der Eltern vor Ort genutzt werden.
- Schatzsuche: Suchspiele rund um Sprachen und Schriften
- Mehrsprachige Kamishibai Bibliomedia oder Dulala
- Veranstaltungen rund um die Erzählnacht
- Veranstaltungen rund um den Schweizer Vorlesetag
Für Erwachsene:
- Bibliotheksbesuche und Führungen zur Vermittlung der Dienstleistungen der Bibliothek (z. B. durch die Zusammenarbeit mit migrantischen Vereinen, Integrationsfachstellen sowie Institutionen oder Lehrpersonen von Integrationsklassen oder Schulen)
- Konversationsworkshops um die Lokalsprache in einem ungezwungenen Rahmen zu üben (Plauderstunde, Sprachcafé)
- Tandems: Leute treffen sich und bilden ein Sprach-Tandem zb. per Informationsbrett
- Informatikworkshops rund um den Computer und die neuen Technologien.
- Unterstützung bei administrativen Tätigkeiten.
- Schreibstube: Bereitschaftsdienst für das Verfassen von Briefen und anderen Dokumenten
- Living Library: Die Bibliothek der lebenden Bücher, B. Living Library ZH
- Veranstaltungen während der Aktionswoche gegen Rassismus
- Narrative Kitchen: Gemeinsam kochen und erzählen
- Schreibworkshops: Neue Schriften kennenlernen
- Spielabende mit Spielen wie five! oder Pareanaga
- Deutsch-Sprachkurse: von der Bibliothek selbst organisiert oder in Zusammenarbeit mit externen Organisator*innen
- Filmabende: Film mit Untertiteln zeigen (Achtung!: Vorführerlaubnis einholen)
- zwei- oder mehrsprachige Lesungen mit internationalen Autor*innen
- Ausstellungen über verschiedene Themen rund um Mehrsprachigkeit, Diversität, Rassismus, Kolonialismus. z.B.: cooperaxion, edubus, mehrsprachen, Verband binationaler
Vermittlungs- und Kontaktarbeit
Ausserdem bieten verschiedene Bibliotheken Bibliotheksbesuche oder Bibliotheksführungen, zum Beispiel für DaZ-Klassen. Sie empfehlen geeignete kostenlose Computerprogramme oder Apps zum Deutsch lernen, führen in deren Nutzung ein und stellen (Internet-)PCs zum Lernen und Üben zur Verfügung. Zudem veranstalten sie Konversationsrunden und Sprach-Tandems oder stellen ihre Räumlichkeiten für Deutsch-Lerngruppen und Sprachkursanbieter*innen zur Verfügung. Häufig arbeiten sie dabei eng mit Sprachlehrinstitutionen (Primar- und Sekundarschulen, Integrationsschulen), mit ehrenamtlichen Initiativen oder mit Unterkünften für Geflüchtete und Asylsuchende zusammen.
Zielgruppen
Die inter- und transkulturelle Bibliotheksarbeit geht von einer heterogenen und diversen Gesellschaft aus, weshalb man nicht von einem einheitlichen Publikum sprechen kann. Herkunft oder gesprochene Sprachen sind nur zwei von ganz vielen Dimensionen, die ineinandergreifen und zusammenwirken. Dies sollte bei der Bestimmung der Zielgruppe(n) immer mitgedacht werden. Asylsuchende und Geflüchtete zum Beispiel sind – wie jede andere Gruppe – sehr heterogen. Sie können sich im Geschlecht, der Religion, Bildung, sexuellen Orientierung, dem Alter oder den Erstsprache(n) etc. unterscheiden.
Es lohnt sich, zu recherchieren, wer im Einzugsgebiet der Bibliothek wohnt, um sich ein erstes Bild der Ressourcen, Bedürfnisse und Interessen des potenziellen Publikums machen zu können. Die Angaben sind in der Gemeinde resp. den Gemeinden des Einzugsgebiets der Bibliothek, im dazugehörigen Schulkreis und in den regionalen Integrationsfachstellen erhältlich. Die Diaspora-Studien des SEM und Studien des SFM können ebenfalls hilfreich sein. Oder eigene kleine Umfragen oder die Zusammenarbeit mit Schlüsselpersonen können das Bild vertiefen.
Die potentiellen Zielgruppen einer Bibliothek haben nicht nur Bedürfnisse, sondern bringen auch viele Ressourcen mit: sprachliche und kulturelle Kenntnisse, Lebenserfahrungen, Vernetzung etc. Umso wichtiger und erfolgsversprechender ist Partizipation.
Für den Aufbau eines attraktiven und nachhaltigen Angebots ist die Zusammenarbeit mit den Zielgruppen in Form von Schlüsselpersonen, (migrantischen) Vereinen, weiteren Institutionen und/oder Schulen zentral. Bewährt hat sich im Migrationsbereich z.B. das Konzept von Sprachverantwortlichen, also Mitarbeitenden mit Migrationsgeschichte, die (in Zusammenarbeit mit ihrer Community und der Bibliothek) den Bereich ihrer Erstsprache aufbauen.